Schulmüdigkeit Schulverweigerung
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Formen von Schulmüdigkeit und Schulverweigerung
Legt man die Intensität der inneren Entfernung und den Umfang von Abwesenheit als Strukturierungsmerkmale zu Grunde, sind diese Verlaufsstadien und Gruppen zu differenzieren:
Die aktionistische Schulverweigerung
(offene, andere störende Unterrichtsverweigerung) kann charakterisiert werden als Attackierung der schulischen Regeln im Unterricht, die über „durchschnittliches“ und gelegentliches Stören und Leistung verweigern hinaus geht:
Die häufigsten Botschaften unterrichtlicher Störungen sind:
Vermeidende Schulverweigerung
(starkes Schwänzen)
Unregelmäßiger Schulbesuch kann sich vom Fehlen einzelner Stunden und Tage bis hin zu einer längeren Abwesenheit und der totalen Abkopplung erstrecken. Wir unterscheiden: Gelegenheitsschwänzen, Rege/schwänzen und Massiv- / Intensivschwänzen. Der Begriff des Totalausstiegs (Schulabbruch) meint eine eher rational-kalkulierte Verabschiedung aus der Schule mit dem subjektiven Empfinden der Sinn- und Chancenlosigkeit durch weitere Teilnahme.
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Ausprägungen im Grundschul-Bereich
Symptome von Schulmüdigkeit zeigen sich spätestens ab dem Alter von ca. acht Jahren. In der Grundschule spielen Ängste vor und in der Schule eine größere Rolle. Krankschreibungen und Entschuldigungen durch die Eltern wirken verdeckend.
Frühe Signale in der Grundschule sind:
Beeinträchtigte Lehrer/in-Schüler/in-Beziehung Verspätungen
Verlängertes Fehlen bei Bagatellerkrankungen; häufiges Fehlen wegen unspezifischer und wenig definierter Krankheiten (Bauchschmerzen, Kopfschmerzen, … ) bzw. Fehlen im Anschluss an das Wochenende
Eltern kommen nicht zur Sprechstunde, sind schwer erreichbar, blocken Kontakt ab
Unterrichtsstörungen
Soziale Isolation in der Klasse
Befriedigende bzw. bedeutsame Kontakte zu anderen schuldistanzierten Schüler/innen
Freudlosigkeit, Niedergeschlagenheit des Kindes
Geschwister gehen nicht regelmäßig bzw. erfolglos in die Schule
Schulische Misserfolge, schulische Überforderung, schlechte Noten, Nichtaufrücken
Passivität im Unterricht, keine Mitarbeit
Soziales und kommunikatives Ausweichverhalten
Unzureichende bzw. keine Hausaufgabenanfertigung
Ausprägungen in der weiterführenden Schule
Differenzierung in drei Teilgruppen
Zu der ersten Gruppe gehören überwiegend Jungen, die schon lange vor dem Fehlen im Unterricht auffällig sind, stören und geringe schulische Leistungen erbringen. Da die schulischen Erfolge mehr und mehr ausbleiben, gehen sie gar nicht mehr zum Unterricht und bauen sich eine alternative Tagesstruktur neben dem Schulvormittag auf.
Zu einer zweiten Gruppe gehören vorwiegend Mädchen, aber zunehmend auch Jungen. Auch hier beginnt die Schuldistanzierung mit einzelnen Fehlstunden und -tagen. Durch die großen Fehlzeiten fühlen sie sich nicht mehr in die Klasse integriert. Sie haben Angst, sich durch schlechte Leistungen und falsche Antworten zu blamieren und lassen schließlich den Versuch ganz sein, wieder in die Schule zu gehen.
Zur dritten Gruppe gehören Schüler/innen, die Opfer von Gewalt und Bedrohung, aber auch alltäglicher Demütigung und inszenierter Blamagen sind. Es sind die Mitschüler/innen, die sie ausgrenzen und ihnen das Leben und Lernen in der Klasse zur Qual machen.
An allen Gruppen zeigt sich: Dramatisch gefährdet sind Schüler/innen, denen Bindung zu Lehrkräften und Mitschüler/innen und dem gemäß Integration in ein prosoziales Klassen- und Schulleben fehlen, die nicht aktiv an Schule teilhaben und von Schule nicht profitieren, die dann in der Folge nicht an den persönlichen Nutzen von Schule glauben.
Hintergründe und Bedingungen
das Entstehungsgefüge für Schulmüdigkeit
Die isolierbare Ursache für Schulmüdigkeit und Schulverweigerung, die im Einzelfall „wie der Blitz einschlägt“, gibt es selten. Schulmüdigkeit als ein die Einzelfälle umspannendes Gesamtphänomen ist geprägt von einer Vielzahl von Bedingungs-, Auslösungs- und Verfestigungsfaktoren.
Kein Schulmüder ist wie der andere: hinsichtlich der Hintergründe und Motive, der Verläufe, des Selbsterlebens, der Zugänglichkeit. Mit Abstand betrachtet ist starke Schulmüdigkeit meist Ergebnis eines langen Weges des Hineinschlitterns mit möglichen Wendepunkten, an dessen Zustandekommen mehrere Systeme beteiligt sind.
Im Wesentlichen lässt sich Schuldistanz auf fünf zentrale Entstehungsfelder zurückführen:
1. Häufig ist Schuldistanzierung bei den Älteren Endprodukt einer demoralisierenden Schülerlaufbahn mit Leistungsmißerfolgen, Klassenwiederholung, Überalterung, Unterrichtsausschlüssen und Herunterstufung.
2. Oft passen soziokulturell bestimmte Lebenssituationen nicht zu den schulischen Anforderungen. Hier fehlen Brücken zwischen der Draußen-Welt und der Schulwelt.
3. Nicht selten kollidiert der Wunsch nach erfolgreichem, regelmäßigem Schulbesuch mit familiären Verhältnissen. Schuldistanz ist dann Ausdruck und Folge von disfunktionalen Tagesstrukturen und schwächenden elterlichen Modellen, überfordernder Rollenverteilung, Funktionsausfällen in der Familie oder auch „nur“ im Prinzip vorübergehender, unerwarteter kritischer Lebensereignisse wie Scheidung, Arbeitslosigkeit, schwere Krankheiten in der Familie.
4. Manchmal geht es den jungen Menschen darum, in Gegenidentifikation zu den Eltern Eigensinn zu produzieren und zu demonstrieren. Hier ist starke Schulabneigung im eigenen Erleben ein „Befreiungsschlag“ gegen erfahrene Einengung („Ablösungskrisen“) oder aber gegen permanente Überforderung durch die Wahl einer falschen Schulform.
5. Schuldistanzierung kann in Einzelfällen auch unglückliches Ergebnis einer Verkettung sein, an deren Anfang durchaus überschaubare, beinahe normale, lösbare Konflikte und nicht besonders schwer wiegende Probleme standen. Diese wurden nicht gelingend bearbeitet.
Nicht alle Belasteten scheitern. Auch stark beeinträchtigte junge Menschen können Umstände besiegen, das Heft des Handelns in die Hand bekommen, über Beschränkungen hinauswachsen. Nachgewiesene Schutzfaktoren sind:
Erwachsene, die ermutigen
jemand, der nachhaltig Wert auf schulische Erfolge legt und unterstützt
konstruktive, befriedigende, herausfordernde Freizeitinteressen
regelmäßige Anwesenheit in der Schule
Stabilität, Kontinuität in der Betreuung (mindestens eine berechenbare Bezugsperson)
Freunde, die sich für Schule engagieren
konstruktive, befriedigende, herausfordernde Freizeitinteressen
Sprach- und Lesekompetenz
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Der Stellenwert der Familie
Hinter Schulmüden stehen nicht selten Mütter und Väter in Not. Schulmüdigkeit ist – so gesehen – Folgesymptom, eher eine Auswirkung familiär bedingter Lebens- und Entwicklungsschwierigkeiten. Überzufällig häufig in Verweigerungskontexten anzutreffen sind psychosoziale Probleme wie Verlust elterlicher Bezugspersonen durch:
Soziale Probleme der Elternhäuser begünstigen Schulmüdigkeit. Es gibt allerdings auch in intakten Familien bzw. in Familien, die nicht zu den Benachteiligten zählen, schulmüde Kinder. Aber in der Mehrzahl fällt Schulmüdigkeit nicht vom heiteren Familienhimmel. Nachgewiesen hochriskant sind negative Schulerfahrungen der Eltern und daraus resultierende Zwiespältigkeit gegenüber der Schule. Schuldistanzierte Einstellungen der Eltern, elterliche Hilflosigkeit, mit schulischen Erfordernissen schwer vereinbare familiäre Lebensverhältnisse sind das breite Hintergrundthema. Allerdings entwickeln sich Schulmüdigkeit und -verweigerung hin und wieder auch durch Überanpassung von Eltern an Schule in rigiden, leistungsehrgeizigen Familien. Dort regiert die heimliche Tauschformel „Noten gegen Akzeptanz und Liebe“. Im Zuge ständigen (Über-)Drucks entstehen ggf. dramatische Ablösungskrisen mit Schulschwänzen als Leit- oder Nebensymptom, anders: als Waffe gegen besonders wunde Elternstellen.
Das Zusammentragen von Einzelheiten des Schulschwänzens bringt Aufschluss über folgende Fragen:
• Wie lange wird schon geschwänzt?
• Wie ist die aktuelle Lage?
• Welche Folgeprobleme treten auf (Leistung, Sozialkontakte, Bruch mit Eltern … )?
• Was ist die Bedeutung des Verhaltens (wieso?, wozu?), – ,,Was steckt dahinter?“ (in den Feldern Schule, Familie, Gleichaltrige … )
Zusammenfassung: Motive und Hintergründe
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Was Eltern/ Schulen tun können
Eine ganz wichtige Aufgabe bei der Therapie der Schulverweigerung und der Schulmüdigkeit kommt dem/der Kinder- und Jugendpsychiater/in zu.
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